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Die HAFL hat im Jahr 2020 im Auftrag des BLW die einzelbetriebliche Methodik der Suisse Bilanz verwendet, um eine nationale Nährstoffbilanz für den gesamten Schweizer Landwirtschaftssektor zu berechnen. Damit wurde geprüft, ob die Stickstoff- und Phosphorbilanzen aus gesamtsektoraler Sicht eingehalten werden. Die Ergebnisse zeigen, dass der nationale Stickstoffsaldo die erlaubte Grenze von 110 % des Pflanzenbedarfs bei fast allen berechneten Szenarien überschreitet. Dies ist ein Indiz dafür, dass in der Praxis nicht alle Nährstoffmengen korrekt deklariert werden.
 

Mit Hilfe der einzelbetrieblichen Suisse-Bilanz wird seit mehr als 20 Jahren eine ausgeglichene Nährstoffbilanz beim betrieblichen Stickstoff- und Phosphoreinsatz angestrebt. Konkret darf der Stickstoff- und Phosphoreinsatz die Maximal-Grenze von 110 % des Pflanzenbedarfs nicht übersteigen. Trotzdem fallen auf sektoraler Ebene beim Stickstoff und Phosphor beträchtliche Überschüsse an und die Umweltziele in diesem Bereich werden v.a. beim Stickstoff nicht erreicht.

Da gewisse Nährstoffmengen in der Suisse-Bilanz einer Selbstdeklaration durch die Landwirte/-innen unterliegen (z.B. der Mineraldüngereinsatz oder die Grundfutterzukäufe), könnte eine fehlerhafte Deklaration eine mögliche Ursache für die angesprochenen Nährstoffüberschüsse sein. Deshalb liess das BLW im Rahmen einer Studie prüfen, wie gut die Selbstdeklaration funktioniert, sprich ob die eingesetzten Nährstoffmengen korrekt deklariert werden.

Für diese Prüfung hat die Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissen- schaften (HAFL) berechnet, ob die Suisse Bilanz aus gesamtsektoraler Sicht einge- halten wird. Dazu wurde die ganze Schweizer Landwirtschaft als ein Betrieb betrach- tet und geprüft, ob der nationale Bilanzsaldo beim Stickstoff und beim Phosphor we- niger als die erlaubten 110 % beträgt. Es wurden die Bilanzsaldoüberschüsse für die Referenzjahre 2002, 2010, 2015 und 2019 berechnet.

Zudem wurde untersucht, wie sich ausgewählte Suisse Bilanz-Parameter, deren Werte von den Landwirten/-innen innerhalb einer gewissen Bandbreite frei gewählt werden können, auf den nationalen Bilanzsaldo auswirken. Geprüft wurde u.a. der Einfluss der «Lager- und Krippenverluste» oder der «extensiven Wiesenerträge».

Zentrale Ergebnisse

Der nationale Bilanzsaldo für Stickstoff liegt in den vier berechneten Referenzjahren zwischen 114 % und 119 % (vgl. folgende Tabelle). Er übersteigt damit den maximal erlaubten Toleranzbereich von 110 % deutlich. Dies deutet darauf hin, dass in der Praxis nicht alle Nährstoffmengen korrekt deklariert werden.
 

Nährstoffbedarf, Nährstoffzufuhr und Nährstoffsaldo der nationalen Suisse Bilanz

Einheit2002201020152019
A. Nährstoffbedarf der Kulturen[t Nverf]89 20487 17283 74480 390
B. Nährstoffzufuhr total[t Nverf]105 82399 47896 23494 079
davon: Nährstoffe aus der Tierhaltung[t Nverf]48 56050 15147 88947 346
davon: Nährstoffe aus Mineraldünger, andere [t Nverf]57 26349 32748 34546 733
C. Stickstoffsaldo absolut (= B-A)[t Nverf]16 61912 30612 49013 689
Stickstoffsaldo in Prozent (= C/B)[%]119114115117

Schussbericht «Teilevaluation Suisse Bilanz – Fokus Selbstdeklaration»


Um den Einfluss ausgewählter Suisse Bilanz-Parameter auf den nationalen Stickstoff-Saldo zu evaluieren, wurden für das Jahr 2015 auch diverse Sensitivitätsszenarien gerechnet. Dabei konnte gezeigt werden, dass der nationale Stickstoffsaldo – auf legale Weise – um ganze 10 %-Punkte gesenkt werden kann, wenn der bestehende Spielraum bei den ausgewählten Suisse Bilanz-Parametern voll ausgenutzt wird (z.B. 5 % Lager- und Krippenverluste anstatt nur 2,5 %). Das bedeutet, dass der Bilanzsaldo in der Nährstoffbilanz stark reduziert werden kann, ohne dass dabei an der effektiven Bewirtschaftung etwas geändert wird.

Die Sensitivitätsanalyse zeigte weiter, dass der nationale Stickstoffsaldo – mit einem Wert von 109 % – nur in demjenigen Szenario knapp eingehalten werden konnte, in welchem der Spielraum bei den geprüften Suisse Bilanz-Parametern voll ausgenutzt wurde. 

Die HAFL berechnete weiter, dass die Stickstoffzufuhr im Referenz-Szenario 2015 um 4,3 % reduziert werden müsste, um den erlaubten Saldowert von 110 % einzuhalten. Wollte man einen nationalen Stickstoffsaldo von 100 % einhalten (was mit einer möglichen Streichung der 10 %-Toleranz beabsichtigt wird), müsste die gedüngte Stickstoffmenge bezogen auf die Referenzmenge im 2015 gar um 13 % zurückgehen.
 

ab21_politik_dz_nationale_suisse_bilanz_dungerstreuer.png

Schlussfolgerungen der HAFL

Weil die 110 %-Grenze selbst im optimistischsten Szenario nur knapp eingehalten wurde und weil man davon ausgehen kann, dass in der Praxis nicht alle Betriebe den vorhandenen Spielraum vollständig ausnützen, kommt die HAFL zum Schluss, dass eine relevante Anzahl der Betriebe den Toleranzbereich der Suisse-Bilanz (=110 %) ausnutzt, wenn nicht sogar überschreitet.

Die Resultate der Sensitivitätsszenarien zeigen zudem auf, dass die aktuelle Methodik im Bereich der ausgewählten Suisse Bilanz-Parameter verbessert werden kann. Insbesondere eine Einschränkung des aktuellen Spielraums bei den Lager- und Krippenverlusten sowie den extensiven Wiesenerträgen birgt ein erhebliches Potenzial zur Reduktion der Nährstoffzufuhr und damit auch der Nährstoffüberschüsse.

Politikrelevanz aus Sicht BLW

Die Projektergebnisse unterstreichen die Wichtigkeit einer zukünftig griffigen Mitteilungspflicht beim Einsatz von Mineraldünger und Kraftfutter, aber auch bei der Zu- und Wegfuhr von Grundfutter. Diese Pflicht würde dazu beitragen, dass die effektiven Nährstoffmengen präzise erfasst werden und Saldo-Werte von über 110 % nicht mehr auftreten.

Die Studie zeigt weiter, dass mit einer zusätzlichen Reduktion des Spielraums bei den «ausgewählten Suisse Bilanz-Parametern» und/oder einer «Streichung der 10 %-Toleranz» ein zusätzlicher, grosser Beitrag zur Reduktion der N- und P-Düngung und damit auch der Nährstoffüberschüsse geleistet werden kann. Die damit einhergehende Verknappung des Nährstoffangebots würde u.a. auch eine Substitution von importiertem Mineraldünger mit einheimischen Hofdünger bewirken und folglich zu einem effizienteren Umgang mit den Nährstoffen führen.

Literatur
 
Sutter, M und Reidy, B. (2021): Teilevaluation «Nationale Suisse-Bilanz – Fokus Selbstdeklaration» mit ergänzenden Validie- rungsarbeiten für die Erträge Futterbau; verfügbar unter:: https://www.blw.admin.ch/blw/de/home/nachhaltige-produktion/um- welt/stickstoff.html.

Simon Peter, Fachbereich Agrarökonomie Raum und Strukturen

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