Bilaterale Beziehungen zur EU
Das Verhältnis zum wichtigsten Handelspartner der Schweiz ist wegen des gescheiterten institutionellen Abkommens (InstA) zurzeit belastet. Der Austausch mit der EU und die Arbeiten auf technischer Ebene gehen jedoch weiter. Aufgrund der engen Verflechtung verfolgt die Schweiz Politikentwicklungen der EU jeweils mit grossem Interesse. So auch die Entwicklungen zur neuen Gemeinsamen Agrarpolitik, die mithelfen soll, die Ziele des «Green Deal» und damit auch der «Farm-to-Fork»- und Biodiversitätsstrategie zu erreichen.
Agrarabkommen CH-EU
Das Abkommen zwischen der Schweiz und der EU über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen vom 21. Juni 1999 (Agrarabkommen) hat zum Ziel, über die Beseitigung von tarifären (Importkontingente und Zöllen) und nicht tarifären (Produktvorschriften oder Zulassungsbedingungen) Handelshemmnissen den gegenseitigen Marktzugang für bestimmte Produkte zu verbessern. Das Agrarabkommen wurde im Rahmen der Bilateralen I unterzeichnet und trat am 1. Juni 2002 in Kraft.
Im Rahmen des Gemischten Agrarausschusses (GA) prüfen die EU und die Schweiz laufend, ob das Agrarabkommen oder seine Anhänge angepasst werden müssen. Am 31. Juli 2020 wurde ein Beschluss zur Aktualisierung von Anhang 12 (gegenseitige Anerkennung von geschützten Ursprungsbezeichnungen (GUB) und geschützten geografischen Angaben (GGA)) unterzeichnet, der u. a. den Schutz der Schweizer Bezeichnungen «Jambon cru du Valais» (GGA), «Lard sec du Valais» (GGA) und «Zuger Kirschtorte» (GGA) in der EU vorsieht. Der Beschluss ist am 1. November 2020 in Kraft getreten. Weitere Aktualisierungen der einzelnen Anhänge des Abkommens sind in Arbeit. Aufgrund des gescheiterten InstA ist momentan aber unklar, ob die Aktualisierung des Agrarabkommens respektive der einzelnen Anhänge zeitnah erfolgen kann.
Der europäische Grüne Deal
Der von der EU-Kommission im Dezember 2019 vorgestellte europäische Grüne Deal soll den Übergang zu einer moderneren, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft schaffen, die u. a. bis 2050 keine Netto-Treibhausgase mehr ausstösst. Der Grüne Deal erstreckt sich auf alle Wirtschaftszweige, darunter auch die Landwirtschaft.
Quelle: EU-Kommission
Die «Farm-to-Fork»-Strategie stellt das Kernstück des europäischen Grünen Deals dar. Sie zielt darauf ab, Lebensmittelsysteme fair, gesund und umweltfreundlich zu gestalten. Damit soll eine Lebensmittelpolitik entstehen, die für jede Stufe der Lebensmittelwertschöpfungskette, von der Produktion über den Vertrieb bis zum Verbrauch, Massnahmen und Ziele vorschlägt, um die europäischen Lebensmittelsysteme nachhaltiger zu gestalten. Die Strategie ist ein zentraler Bestandteil der Agenda der Kommission zur Verwirklichung der Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung (SDG).
In der Strategie werden auch Leitziele genannt, die als wesentlich für das Erreichen der Ziele angesehen werden. Einige davon widerspiegeln auch die Biodiversitätsstrategie, die Europas Biodiversität bis 2030 auf den Weg der Erholung bringen und vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus der COVID-19-Krise die Widerstandsfähigkeit unserer Gesellschaften gegenüber künftigen Bedrohungen stärken soll:
Den Einsatz und das Risiko chemischer Pestizide um 50 % verringern und die Verwendung gefährlicherer Pestizide um 50 % reduzieren
Nährstoffverluste um mindestens 50 % reduzieren, wobei gleichzeitig sichergestellt wird, dass es zu keiner Verschlechterung der Bodenfruchtbarkeit kommt. Dadurch wird der Einsatz von Düngemitteln bis 2030 um mindestens 20 % reduziert
Gesamtverkäufe von antimikrobiellen Mitteln für Nutztiere und Aquakultur in der EU um 50 % bis 2030 verringern
25 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche bis 2030 biologisch zu bewirtschaften.
Die Strategien sind insgesamt nicht bindend. Sie werden jedoch durch die Umsetzung der in der Strategie festgelegten Ziele und Vorgaben durch die Mitgliedsstaaten eine bindende Macht erlangen. Die Ziele und Vorgaben werden durch verschiedene gesetzgebende Massnahmen, die Schaffung neuer Politiken und die Anpassung bestehender Politiken, wie z. B. der Gemeinsamen Agrarpolitik, umgesetzt.
Gemeinsame Agrarpolitik der EU
Am 25. Juni 2021 haben das Europäische Parlament und der Rat eine vorläufige politische Einigung über die neue Gemeinsame Agrarpolitik erzielt. Damit soll eine gerechtere, umweltfreundlichere, stärker auf das Tierwohl ausgerichtete und flexiblere Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) eingeführt werden. Ambitioniertere Umwelt- und Klimaziele im Einklang mit den Zielen des Grünen Deals sollen ab Januar 2023 umgesetzt werden. Die neue GAP soll auch eine gerechtere Verteilung der Mittel insbesondere auf kleine und mittlere landwirtschaftliche Familienbetriebe und Junglandwirte gewährleisten.
Jeder Mitgliedstaat muss nun in den nächsten fünf Jahren einen Strategieplan zur Umsetzung der politischen Vorgaben ausarbeiten. Dieser Plan wird es den Mitgliedstaaten ermöglichen, den lokalen Gegebenheiten Rechnung zu tragen und Leistung in den Vordergrund zu rücken. Die Mitgliedstaaten müssen ihre Entwürfe bis zum 31. Dezember 2021 vorlegen. Die Kommission hat dann sechs Monate Zeit, um die Pläne zu prüfen und zu genehmigen, damit diese Anfang 2023 in Kraft treten.
Die GAP ist ein konkretes Instrument, um die Ziele der Kommissions-Strategien – «Farm-to-Fork»- und Biodiversitätsstrategie als Teil des «Green Deal» – zu erreichen. Mit dem Mindestbudget für Ökoregelungen und höheren Anforderungen bei der Konditionalität für die Direktzahlungen werden wesentliche Ziele des «Green Deal» und damit auch der «Farm-to-Fork»- und Biodiversitätsstrategie adressiert. Das deutliche Mehr an Umweltleistungen soll einen spürbaren Beitrag zu mehr Umwelt- und Klimaschutz leisten.
Corinne Roux, BLW Fachbereich Handelsbeziehungen
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