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Der internationale Architekturpreis «Constructive Alps» zeichnet seit zehn Jahren Gebäude in den Alpen aus, die langlebig und klimaschonend gebaut werden. Dabei hat sich oftmals bestätigt: Landwirtschaft schafft Spitzenarchitektur! Dies ist kein Zufall, denn sie muss unter den sich verändernden Bedingungen zunehmend innovativ denken. «Constructive Alps» erzählt von den besten Beispielen.
 

Nachhaltiges Bauen ist ein wirkungsvolles Werkzeug im Kampf gegen den Klimawandel. Budget, Ansprüche an effizienten Betrieb, Schonung der Kulturlandschaft und Energieeffizienz stellen für die Bauwilligen jedoch oft unüberwindbare Gegensätze dar. Die Erfahrung aus zehn Jahren Architekturwettbewerb «Constructive Alps» zeigt, dass es auch anders geht: Nachhaltigkeit soll kein Luxus sein. Es gibt nicht nur immer mehr Unterstützung in Form von kantonalen Bau- oder Energieberatungen und Fördermitteln, es ist schlicht auch mehr Wissen verfügbar als noch vor ein paar Jahren.
 

Alpenweite Ausstrahlung

Die internationale Jury von «Constructive Alps» hat 2020 das Landwirtschaftliche Zentrum St. Gallen zum Sieger erklärt. Das Projekt hatte sich gegen 328 andere Objekte aus sieben Alpenstaaten durchgesetzt. Landwirtschaftliche Bauten sind nicht zum ersten Mal ganz vorne mit dabei. Weshalb? Weil nachhaltige Architektur und Landwirtschaft eng verwandt sind: Beide kennen den behutsamen Umgang mit Boden, die Arbeit mit Materialien wie Holz, Stein oder Lehm und beide wissen um die Notwendigkeit vom schonenden Umgang mit der Natur.
 

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Das Areal des landwirtschaftlichen Schulzentrums liegt am Dorfrand von Salez inmitten der weiten Rheintalebene. Das Schulgebäude ist als zweiflügliger, abgewinkelter Holzbau konzipiert. Zwischen diesem langen, grossmassstäblichen Neubau und der bestehenden Werkhalle entsteht ein grosszügiger Hof.
Bild: Seraina Wirz

Bauen für das Klima

45 % des schweizerischen Energieverbrauchs entfällt auf Gebäude, was für einen Viertel unserer Treibhausgasemissionen verantwortlich ist. Oft sind die Antworten darauf technisch hochgerüstete Hausroboter, zertifiziert nach Energielabels. Die Schule in Salez verfolgt einen radikal anderen Ansatz für klimaschonendes Bauen: Low-Tech. Das heisst mehr analog statt digital, weniger Technik und mehr einfache aber langlebige Lösungen. Die Lüftung in Salez funktioniert wie in alten Ställen: Man öffnet kleine Fenster per Handkurbel und es entsteht ein kühlender Luftstrom. Es gibt keine Glasfronten sondern geschickt platzierte Fenster, Laubengänge und natürliche Beschattung mit Bäumen. Geheizt wird, sofern überhaupt notwendig, mit Holzabfällen aus der Werkstatt. Alle Haustechnik ist leicht zugänglich und ersetzbar. Und das robuste Holz für den Bau stammt grösstenteils aus den umliegenden Wäldern.

Salez ist Beispiel für einen Wandel in der alpinen Baukultur, der sich über mehrere Jahrzehnte vollzogen hat. Bauende wissen immer mehr über den Einsatz von nachhaltigen Materialien wie Holz, Stein und Lehm oder Dämmungen mit Stroh und Schafwolle. Auch Bauherrinnen und Bauherren, im Fall Salez der Kanton St. Gallen, bestehen zunehmend auf nachhaltigen Gebäuden. Wenn dies die Erstellungskosten erhöht, rechnet sich das mit tieferem Energieverbrauch und der erhöhten Gebäudelebensdauer längstens wieder.
 

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Die Holzbaustruktur des LSZG ist auch im Innern des Gebäudes wahrnehmbar. Die Unterrichtsräume, Mensa und Aula können über manuell bedienbare Klappen quergelüftet werden. Die Rasterstruktur ermöglicht eine enorme Grundrissflexibilität.
Bild: Seraina Wirz

Bauen für die Gemeinschaft

Nachhaltig Bauen heisst auch für zukünftige Generationen mitdenken. Auch in von Strukturwandel betroffenen Gebieten können Gebäude lokal für Trendumkehr sorgen. Gute Beispiele für die Umnutzung von Landwirtschaftsgebäuden gibt es im gesamten Alpenraum. Oft spielt sanfter Tourismus eine Rolle, so zum Beispiel beim Umbau der Alp Glivers im Bündner Oberland; oder Crowdfunding. In leerstehenden Objekten entstehen manchmal auch wilde Ideen mit grosser Ausstrahlung: die Stall-Umnutzung als Theaterbühne in Riom, die wunderschöne Atmosphäre der «Stalla Madulain» als Kunstraum oder die fast archäologische Sanierung des «Gugg-Hofs».
 

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Auf der Alp Glivers ist ein Stall zu einer Gruppenunterkunft ausgebaut worden. Schulklassen wohnen hier, es werden Hochzeiten und Geburtstage gefeiert. Bild: Ralph Feiner.


Die Projekte von 2020 können im Sonderheft der Architekturzeitschrift «Hochparterre», im Buch «Bauen in den Alpen» sowie in einer Wanderausstellung erlebt werden.
 

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Städtebaulicher Anspruch bei der Remise in Madulain: Mit elegantem Bogen verbindet die Scheune das Bauernhaus und den grossen Stall sodass eine geschlossene Fassade entsteht, wie sie die alten Bauten des Dorfs seit Hunderten von Jahren bilden.
Bild: Appenzeller Schmidlin

Marc Pfister, Sektion Internationales, Bundesamt für Raumentwicklung
marc.pfister@are.admin.ch
 

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