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Ergebnisse verschiedener Forschungsprojekte der letzten paar Jahre zeigen: Das Hinauszögern des ersten Schnitts oder das Anlegen von Rückzugsstreifen fördern die Insektenpopulationen im Grünland. Wenn die extensive Bewirtschaftung es nicht erlaubt, die Qualität einer Wiese zu verbessern, kann eine aktive Wiederherstellung mittels Übertragung von Samenmaterial durch das Ausbringen von Mahdgut, das von einer pflanzenartenreichen Spenderfläche stammt, in Betracht gezogen werden.
 

Die Biodiversität extensiv genutzter Wiesen

Der starke Rückgang der Biodiversität im Agrarraum in den letzten Jahrzehnten hat zum Verschwinden zahlreicher lokaler und regionaler Arten geführt, die früher auf landwirtschaftlichen Nutzflächen verbreitet waren. Dank der in den frühen 1990er-Jahren eingeführten Biodiversitätsförderflächen (BFF) war es möglich, die Situation bis zu einem gewissen Grad zu korrigieren. Doch selbst 20 Jahre später haben diese politischen Änderungen nur mässige Fortschritte bei der Erhaltung der Biodiversität gebracht. Heute haben die BFF einen Anteil von 18–19 Prozent an der landwirtschaftlichen Nutzfläche der Schweiz, wobei rund die Hälfte der BFF aus extensiv genutzten Wiesen besteht. In der Tal- und Hügelzone gibt es etwa 60 000 Hektaren extensiv genutzte Wiesen. Im Vergleich zu konventionellen Wiesen beherbergen extensive BFF-Wiesen mehr Pflanzenarten (Aviron et al. 2009, Riedel et al. 2019, Meier et al. 2021. Im Vergleich zur Flora, die vor 1960 auf diesen Wiesen vorkam, ist die Situation jedoch immer noch klar unbefriedigend (Bosshard 2015). Bei den Wirbellosen ist der Unterschied zwischen extensiven und konventionellen Wiesen weniger ausgeprägt, wobei auf extensiv genutzten Wiesen nur einige wenige zusätzliche Arten von Heuschrecken (Orthoptera), Wildbienen, Schmetterlingen und Laufkäfern vorkommen und bei Spinnen kein signifikanter Unterschied feststellbar ist (Aviron et al. 2009; Knop et al. 2006; Schlegel und Schnetzler 2018). Alternative Mähregimes können die Förderung von Wirbellosen in extensiv genutzten BFF-Wiesen verbessern.

Alternative Mähregimes

Ein Forschungsprojekt der Universität Bern (Humbert et al. 2018) – mitfinanziert durch den Schweizerischen Nationalfonds, das BLW und das BAFU sowie mehrere Schweizer Kantone – hat gezeigt, dass einfache Anpassungen des Mähregimes von extensiv genutzten Wiesen, wie z. B. ein um einen Monat verzögerter erster Schnitt (vom 15. Juni auf den 15. Juli) oder das Belassen eines ungemähten Rückzugsstreifens, positive Wirkungen sowohl auf die Häufigkeit als auch auf die Artenvielfalt mehrerer Gruppen von Wirbellosen haben.
 

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Beispiele für ungemähte Rückzugsstreifen


So zeigten die Ergebnisse beispielsweise, dass auf extensiv genutzten Wiesen mit späterem Schnitt rund fünfmal mehr Heuschrecken als auf den Kontrollwiesen (Mitte Juni gemäht und ohne Rückzugsstreifen) zu finden waren. Ausserdem verdoppelte sich ihre Zahl auf Wiesen, von denen 10–20 Prozent der Fläche aus Rückzugsstreifen bestanden. Auch die Tagfalter waren in Wiesen mit Rückzugsstreifen und späterem ersten Schnitt häufiger anzutreffen als in den Kontrollwiesen.


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Wiesen mit Rückzugsstreifen beherbergten ausserdem 23 Prozent mehr Heuschreckenarten und 60 Prozent mehr spezialisierte Schmetterlingsarten (siehe auch Buri et al. 2013; Bruppacher et al. 2016).


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Obwohl diese alternativen Mähregimes für Insekten von Vorteil sind, haben sie einen neutralen Effekt auf die Pflanzenvielfalt (Humbert et al. 2018).

Wiederherstellung der Pflanzenvielfalt auf Wiesen

Eine verarmte Bodensamenbank und das Fehlen von Quellpopulationen in der Umgebung (von ehemaligen blütenreichen Naturwiesen) dürften erklären, warum viele der heutigen extensiv genutzten Wiesen Schwierigkeiten haben, bezüglich Artenvielfalt Fortschritte zu erzielen. In diesen Fällen ist eine aktive Wiederherstellung erforderlich, die über eine blosse Extensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung hinausgeht. Zurzeit läuft ein von BLW und BAFU mitfinanziertes Forschungsprojekt, um proaktive Wiederherstellungsmethoden im Feld experimentell zu testen. Dazu zählen insbesondere: 1) die Übertragung von Samenmaterial durch das Ausbringen von Mahdgut, das von einer pflanzenartenreichen Spenderfläche stammt (Methode der Direktbegrünung); 2) die Aussaat mittels einer Samenmischung, die mit einem Drescher auf einer Spenderfläche geerntet wurde; und 3) die Aussaat mittels einer kommerziellen Mischung.
 

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Obwohl einige dieser Methoden für die Wiederherstellung der Flora weithin anerkannt sind und bereits angewandt werden, wissen wir nicht, inwiefern sie zur Wiederherstellung der Insektenpopulationen beitragen (siehe jedoch Breitenmoser et al. 2020) und ob das Risiko besteht, dass diese Praktiken zu einer Homogenisierung der Pflanzengemeinschaften in der Landschaft führen. Auch die langfristige Stabilität von aufgewerteten Wiesen ist unbekannt.

Literatur

Aviron, S., H. Nitsch, P. Jeanneret, S. Buholzer, H. Luka, L. Pfiffner, S. Pozzi, B. Schupbach, T. Walter, and F. Herzog. 2009. Ecological cross compliance promotes farmland biodiversity in Switzerland. Frontiers in Ecology and the Environment 7:247-252.
Bosshard, A. 2015. Recul des prairies à fromental Arrhenatheretum et conséquences sur la biodiversité. Recherche agronomique suisse 6:20-27.
Breitenmoser, S., J.-Y. Humbert, and S. Viollier. 2020. Creation of new grasslands within the ecological network "La Frontiere" VD and effects on orthopterans (Insecta: Orthoptera). Alpine Entomology 4:117-128.
Bruppacher, L., J. Pellet, R. Arlettaz, and J.-Y. Humbert. 2016. Simple modifications of mowing regime promote butterflies in extensively managed meadows: Evidence from field-scale experiments. Biological Conservation 196:196-202.
Buri, P., R. Arlettaz, and J.-Y. Humbert. 2013. Delaying mowing and leaving uncut refuges boosts orthopterans in extensively managed meadows: Evidence drawn from field-scale experimentation. Agriculture, Ecosystems and Environment 181:22-30.
Humbert, J.-Y., P. Buri, D. Unternährer, and R. Arlettaz. 2018. Des régimes de fauche alternatifs pour favoriser la biodiversité des prairies. Recherche Agronomique Suisse 9: 314–321.
Knop, E., D. Kleijn, F. Herzog, and B. Schmid. 2006. Effectiveness of the Swiss agri-environment scheme in promoting biodiversity. Journal of Applied Ecology 43:120-127.
Schlegel, J., and S. Schnetzler. 2018. Heuschrecken (Orthoptera) in Biodiversitätsförderflächen der voralpinen Kulturlandschaft Schönenbergs (Schweiz, Kanton Zürich) mit Trends seit 1990. Alpine Entomology 2:77-100.
Meier et al. (2021): Zustandsbericht ALL-EMA 2015-19
Riedel et al. (2019) Qualité écologique des prairies qui bénéficient des contributions à la biodiversité. Recherche agronomique suisse 10 :80–87.

Jean-Yves Humbert und Raphael Arlettaz, Abteilung Conservation Biology, Universität Bern
Jérôme Frei, BLW, Fachbereich Agrarumweltsysteme und Nährstoffe

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